Gekauf­te Pres­se — über die Rol­le der Medi­en bei Wahlen

Unab­hän­gig soll die Pres­se sein, lau­tet der Grund­te­nor. Die vier­te Macht im Staat wer­den die Medi­en ger­ne genannt. Die Pres­se selbst bezeich­net Unab­hän­gig­keit als ihre Maxi­me. Trotz­dem wird sie nicht müde die­se eigen­hän­dig auf­zu­wei­chen. Nicht nur Eigen­wer­bung wie «mei­nungs­stark» son­dern auch ten­den­ziö­se Bericht­erstat­tung vor Natio­nal­rats­wah­len wer­fen ein schlech­tes Licht auf die Neu­tra­li­tät der Presse.

Wer ist eigent­lich Phil­ipp Mül­ler? Noch vor Wochen hät­ten vie­le geant­wor­tet, dass sie die­sen Namen schon ein­mal gehört hät­ten, dass sie aber kei­ne Ahnung hät­ten, was der eigent­lich tut. Mitt­ler­wei­le ken­nen alle die Far­be von Mül­lers Unter­ho­sen. Mül­ler, der Hemds­ärm­li­ge. Mül­ler, der Anpa­cker. Mül­ler, der Macher. Mül­ler, der Pro­blem­lö­ser. Mül­ler, der Erlö­ser. Mit sol­chen Schlag­zei­len hat uns die Pres­se in den letz­ten Wochen zuge-müll-ert.

Sogar das SVP-Blatt «Welt­wo­che» wid­met der FDP eine pro­mi­nen­te Titel­sto­ry: “Die FDP gibt Gas”. Die Titel­sei­te zeigt einen kari­kier­ten Mül­ler, der im Kin­der­au­to den Kon­kur­ren­ten davon­braust. Mül­ler ist im Trend, rei­tet auf der Wel­le des Erfol­ges und gibt sofort das sport­li­che Ziel von 18 Pro­zent Wäh­ler­an­teil her­aus. Viel­leicht erin­nert sich noch jemand an den 18-Pro­zent-Möl­le­mann (FDP) aus Deutsch­land? Tief ist er gefal­len, in Pro­zen­ten. Unser Mül­ler­mann aber star­tet rake­ten­haft durch und kennt nur eine Rich­tung. Hof­fent­lich spielt ihm die poli­ti­sche Gra­vi­ta­ti­on kei­nen Streich.

Auf der ande­ren Sei­te tobt die Köp­pel-Mania. Medi­en wer­den von die­sem Pola­ri­sie­rer ange­zo­gen wie die Mot­ten vom Licht. Nicht nur sei­ne Anhän­ger son­dern auch sei­ne poli­ti­schen Geg­ner sind fas­zi­niert und ange­wi­dert zugleich von sei­ner Art und sei­nen Aus­sa­gen. Köp­pel ist gefragt. Er reprä­sen­tiert die neue intel­lek­tu­el­le Eli­te der SVP, einer ehe­ma­li­gen Bau­ern­par­tei. Die­ser Reiz­fi­gur wird eine media­le Platt­form nach der ande­ren gebo­ten. Köp­pel garan­tiert Ein­schalt­quo­ten. Es ist aus Sicht der Medi­en­ver­ant­wort­li­chen ziem­lich egal, was er inhalt­lich absondert.

Sind es nur die Quo­ten, wel­che zäh­len und die Omni­prä­senz sol­cher Figu­ren aus­ma­chen? Es gibt einen ande­ren Fak­tor, der ger­ne über­se­hen wird. Die gros­sen Par­tei­en pum­pen Unmen­gen Geld in die Ver­la­ge und Medi­en­häu­ser — in Form von Wer­bung und Inse­ra­ten. Die gebeu­tel­te Pres­se schwimmt end­lich wie­der im Geld. Inse­ra­te-Abtei­lung und Redak­ti­on sind strik­te getrennt, lau­tet das Man­tra der Medi­en­schaf­fen­den. Doch psy­cho­lo­gisch ist es mehr als wahr­schein­lich, dass man die poli­ti­schen Inves­to­ren nicht ver­ä­gern wird oder ihnen sogar zusätz­li­chen Raum ver­schafft — in der Hoff­nung auf wei­te­re Investitionen.

Das erklärt, war­um Klein­par­tei­en sozu­sa­gen aus der poli­ti­schen Bericht­erstat­tung ver­schwin­den. Vor den Wah­len ver­an­stal­tet die Pres­se ger­ne ein Klein­par­tei­en-Schau­en. Dort stellt man die­se Wil­den in Käfi­gen vor das belus­tig­te Publi­kum. Viel­leicht bit­tet man sie, ein Tänz­chen auf­zu­füh­ren: «Tanz, Exot, tanz!». In der ent­schei­den­den Wahl­pha­se blen­det die Pres­se die­se Par­tei­en dann kom­plett aus. Plötz­lich gibt es bei­spiels­wei­se im Aar­gau nur noch sie­ben Par­tei­en, obwohl 16 Lis­ten zur Wahl antre­ten. Umfra­gen igno­rie­ren Klein­par­tei­en gene­rell oder füh­ren kom­plett fal­sche Lis­ten. Nach einer 20-Minu­ten-Umfra­ge tre­ten im Aar­gau die AL (Alter­na­ti­ve Lis­te) und die SD (Schwei­zer Demo­kra­ten) an. Das ist abso­lu­ter Unsinn. Par­tei­en, wel­che tat­säch­lich antre­ten, wer­den nicht genannt. Ist das Kal­kül oder Stüm­pe­rei? Bei­des ist nicht zu entschuldigen.

Der Wäh­ler kann sich ein Bild der poli­ti­schen Land­schaft machen, heisst es. Lei­der zeigt die Pres­se dem Wäh­ler aber nur einen klei­nen Aus­schnitt. Die Pres­se schwört den Leser und Wäh­ler auf die eta­blier­ten Par­tei­en ein. Es ist nicht wei­ter ver­wun­der­lich, dass Klein­par­tei­en auch in Zukunft klein blei­ben. Die “unab­hän­gi­ge” Pres­se trägt ihren Teil dazu bei. Nun bleibt die gros­se Fra­ge: Ist die Pres­se käuflich?

Ja. Nur han­delt es sich nicht um Kor­rup­ti­on son­dern um ein inter­tem­po­ra­les Tausch­ge­schäft. Ver­lie­re­rin ist die Demokratie.

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