Online-Wer­bung ist doch nicht schlimm!

Das Lamen­to der Online-Ver­la­ge, dass sie sich nur über Wer­bung finan­zie­ren kön­nen, wur­de inzwi­schen so oft gebets­müh­len­ar­tig wie­der­holt, dass der unbe­darf­te Inter­net­nut­zer die­ser Bran­che schon fast Mit­leid ent­ge­gen­bringt. Was soll denn schon schlimm sein an den blin­ken­den, flä­chen­de­cken­den, ani­mier­ten und ablen­ken­den Wer­be­ein­blen­dun­gen auf Web­sei­ten, wenn die­se den Ver­la­gen ermög­li­chen, qua­li­ta­ti­ve Inhal­te kos­ten­los anzu­bie­ten? Eine genaue­re Betrach­tung der Pro­ble­ma­tik von Online-Wer­bung offen­bart jedoch schnell, dass die sicht­ba­ren Wer­be­ban­ner nur die Spit­ze des Eis­ber­ges sind.

Hin­ter die­sem sicht­ba­ren Stör­fak­tor «Wer­bung» las­sen Online-Ver­la­ge eine Arma­da von Track­ing- und Pro­fil­ing-Skrip­ten auf die Leser und Kon­su­men­ten los. Das heisst, dass unge­fragt Daten über Inter­net­nut­ze­rin­nen erho­ben und auf Ser­vern von Track­ing- und Pro­fil­ing-Fir­men zusam­men­ge­führt wer­den. Bei den erho­be­nen Daten han­delt es sich noch nicht um Namen und Anschrif­ten, son­dern um ein­deu­ti­ge einer Inter­net­nut­ze­rin zuzu­ord­nen­de Infor­ma­tio­nen. Ein digi­ta­ler Fin­ger­ab­druck1 wird erstellt, der Surf- und ‑Kos­um­ge­wohn­hei­ten einer Per­son nahe­zu flä­chen­de­ckend erfasst, da fast alle gros­sen Con­tent-Anbie­ter die­sel­ben Wer­be- und Track­ing-Netz­wer­ke ein­bin­den. Die Zusam­men­füh­rung sol­cher hoch­sen­si­bler Daten mit Klar­na­men ist die bru­tal-logi­sche Kon­se­quenz einer Bran­che, deren Geschäft­mo­dell auf der Miss­ach­tung des Daten­schut­zes und des Schut­zes der Pri­vat­sphä­re aufbaut.

Tracking-Darstellung
Beim Auf­ruf von tagesanzeiger.ch wer­den die­se Track­ing- und Wer­be-Netz­wer­ke über Ihre Anwe­sen­heit informiert.

Ange­sichts sol­cher Ver­fol­gungs-Prak­ti­ken ist es ein Hohn, dass die EU die Betrei­ber von Web­sei­ten vor der Ver­wen­dung von Coo­kies war­nen lässt. Auch das ein­gangs erwähn­te Kla­ge­lied der Online-Ver­la­ge kann nur noch als heuch­le­risch und ver­lo­gen bezeich­net wer­den. Sie ver­kau­fen und ver­ra­ten ihre Leser scham­los, ohne ihnen auch nur den gerings­ten Hin­weis dar­auf zu geben. Allem Anschein nach haben Con­tent-Anbie­ter, wel­che sol­che Wer­be- und Track­ing-Net­wer­ke ein­bin­den über­haupt kei­ne Kon­trol­le dar­über, wel­che Daten zu wel­chem Zweck erho­ben wer­den und wie die­se ver­ar­bei­tet wer­den. Sie haben dar­über hin­aus auch kei­ne Kon­trol­le über die Inhal­te, wel­che von Wer­be-Netz­wer­ken auf ihren Sei­ten aus­ge­spielt werden.

Dar­in besteht neben der Preis­ga­be von hoch­sen­si­blen Infor­ma­tio­nen die zwei­te Gefähr­dung von Inter­net­nut­ze­rin­nen. Wer­be­netz­wer­ke lie­fern mit­un­ter auch Skrip­te aus, wel­che die Sicher­heit von Inter­net­nut­ze­rin­nen kom­pro­mit­tie­ren, da die­se Skrip­te Sicher­heits­lü­cken in Brow­sern aus­nüt­zen und Gerä­te infi­zie­ren kön­nen. Über mit Wer­be-Ein­blen­dun­gen aus­ge­lie­fer­te Skrip­te wur­de in der Tat bereits Schad­soft­ware ver­brei­tet. Die Kon­se­quenz die­ser Angrif­fe auf die Sicher­heit und Pri­vat­sphä­re von Inter­net­nut­ze­rin­nen kann nur digi­ta­le Selbst­ver­tei­di­gung heissen.

Mit klei­nen Erwei­te­run­gen des Brow­sers kön­nen Inter­net­nut­ze­rin­nen sich vor einer Kom­pro­mit­tie­rung ihrer Per­son und Gerä­te schüt­zen. Dabei ist es ent­schei­dend, die rich­ti­gen Erwei­te­run­gen zu instal­lie­ren, da hin­ter man­chen dubio­se Fir­men mit kom­mer­zi­el­len Geschäfts­mo­del­len ste­cken. Nach­fol­gend wer­den drei die­ser Brow­ser-Anwen­dun­gen vor­ge­stellt, die im Zusam­men­spiel bereits einen star­ken Schutz vor Ver­fol­gung und Infi­zie­rung bie­ten. Ein schlech­tes Gewis­sen ist bei der Instal­la­ti­on die­ser Erwei­te­run­gen ange­sichts der dreis­ten Prak­ti­ken von Online-Ver­la­gen und Wer­be-Netz­wer­ken bei­lei­be nicht ange­bracht. Die vor­ge­stell­ten Erwei­te­run­gen ste­hen für alle moder­nen Brow­ser zur Verfügung.

1. Brow­ser-Erwei­te­rung «Dis­con­nect»

Das Browser-Addon «Disconnect»
Das Brow­ser-Addon «Dis­con­nect»

Die Erwei­te­rung «Dis­con­nect» unter­bin­det die Kon­takt­auf­nah­me mit Wer­be- und Track­ing-Netz­wer­ken. Die Aus­lie­fe­rung von Track­ing-Skrip­ten und Wer­be-Inhal­ten an den Brow­ser wird blo­ckiert. Fer­ner gibt die­se Erwei­te­rung Aus­kunft über die auf der jewei­li­gen Web­sei­te blo­ckier­ten Ver­fol­gungs- und Wer­be-Netz­wer­ke und kann die­se gra­phisch dar­stel­len (sh. obi­ge Illustration).

Die­se Erwei­te­rung steht für Chro­me2, Fire­fox3, Ope­ra4 und Vival­di2 zum Down­load und zur unmit­tel­ba­ren Instal­la­ti­on bereit.

2. Brow­ser-Erwei­te­rung «uBlock Ori­gin» (Hot)

Das Browser-Addon «uBlock Origin»
Das Brow­ser-Addon «uBlock Origin»

Die Erwei­te­rung «uBlock Ori­gin» ver­hin­dert die Anzei­ge von Wer­bung äus­serst effi­zi­ent und blo­ckiert Track­ing- und Wer­be-Netz­wer­ke. Die­se Erwei­te­rung ist Open Source und kann des­halb von allen Inter­es­sier­ten ein­ge­se­hen und wei­ter­ent­wi­ckelt wer­den. Als für Online-Ver­la­ge fata­le Zuga­be umgeht «uBlock Ori­gin» die Sper­ren von Adblo­ckern auf allen Web­sei­ten, die zur Deak­ti­vie­rung von Adblo­ckern auffordern.

Die­se Erwei­te­rung steht für Chro­me5, Fire­fox6, Ope­ra7 und Vival­di5 zum Down­load und zur umit­tel­ba­ren Instal­la­ti­on bereit. Die­se Erwei­te­rung läuft auch auf der mobi­len Ver­si­on von Fire­fox (für Smartphones).
Video-Demo: Ope­ra mit inte­grier­tem Adblo­cker vs. Fire­fox mit «uBlock Ori­gin»8

3. Brow­ser-Erwei­te­rung «HTTPS Everywhere»

Das Browser-Addon «HTTPS Everywhere»
Das Brow­ser-Addon «HTTPS Everywhere»

Die­se Erwei­te­rung erzwingt siche­re, ver­schlüs­sel­te Ver­bin­dun­gen zu Web­sei­ten, sofern die­se zur Ver­fü­gung ste­hen. Eine HTTPS-Ver­bin­dung stellt sicher, dass zwi­schen­ge­schal­te­te Ser­ver weder mit­le­sen noch über­tra­ge­ne Daten mani­pu­lie­ren kön­nen. Eine HTTPS-Ver­bin­dung ist zum Bei­spiel für Online-Ban­king zwin­gend notwendig.

Die­se Erwei­te­rung steht für Chro­me9, Fire­fox10, Ope­ra11 und Vival­di9 zum Down­load und zur unmit­tel­ba­ren Instal­la­ti­on bereit.

4. Zuga­be: Schutz gegen Can­vas- und Audio-Fingerprinting

Fingerprinting-Technologien zur eindeutigen Erkennung von Internetnutzerinnen
Fin­ger­prin­ting-Tech­no­lo­gien zur ein­deu­ti­gen Erken­nung von Internetnutzerinnen

Neue Track­ing-Metho­den ver­su­chen, ein­deu­ti­ge Sys­tem-Kon­fi­gu­ra­tio­nen über den HTML-Stan­dard «can­vas» zu erfas­sen und die­se einer Nut­ze­rin zuzu­ord­nen. Dage­gen schüt­zen zahl­rei­che Erwei­te­run­gen mit unter­schied­li­chen Her­an­ge­hens­wei­sen. Inter­es­sier­te suchen auf den Addon-Sei­ten des jewei­li­gen Brow­ser-Her­stel­ler nach dem Stich­wort «Fin­ger­prin­ting». Fire­fox-Nut­ze­rinn­nen wird an die­ser Stel­le das Addon “Can­vas Fin­ger­print Defen­der12″ emp­foh­len.

Fer­ner wer­den auch ein­deu­ti­ge Audio-Signa­tu­ren von Inter­net­ge­rä­ten aus­ge­wer­tet und Nut­ze­rin­nen zuge­ord­net. Fire­fox-Nut­ze­rin­nen wird an die­ser Stel­le das Addon “Audio­Con­text Fin­ger­print Defen­der13″ emp­foh­len.

FAZIT

Mit klei­nen Erwei­te­run­gen kön­nen sich Inter­net­nut­ze­rin­nen vor Ver­fol­gung, läs­ti­ger Wer­bung und der Kom­pro­mit­tie­rung ihrer Gerä­te schüt­zen. Es gibt dabei weder recht­li­che noch mora­li­sche Beden­ken ange­sichts des Gross­an­griffs auf den Daten­schutz und die Pri­vat­sphä­re. Im End­ef­fekt müs­sen Kon­su­men­ten sich aus Not­wehr gegen sol­che Angrif­fe weh­ren kön­nen. Mit den obi­gen Brow­ser-Erwei­te­run­gen kann mit weni­gen Klicks eine star­ke Pri­vat­sphä­re wie­der­her­ge­stellt wer­den. Es ist zu hof­fen, dass Online-Ver­la­ge im Bezug auf Wer­bung und Track­ing irgend­wann zur Ver­nunft kom­men. Bis dahin ist digi­ta­le Selbst­ver­tei­di­gung Pflicht und Notwendigkeit.

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